Reisevorbereitung

 

Ich blicke zurück. Lese mein Tagebuch wieder, das ich im Januar 2007 geschrieben habe, als ich mich ebenfalls alleine auf die Reise nach Lateinamerika begab. Sofort kann ich wieder nachfühlen, was ich damals schrieb. Eine Reise, die anhält seit 2007 und die ich nun wieder aufnehme. Das merke ich erst in dem Moment, in dem ich mich wieder aufmache. Zugleich ist alles anders. Ich bin getragen in Liebe und Partnerschaft, werde freigegeben und in Gedanken begleitet.

Vor Beginn der Reise lese ich Christiane Singers Buch "Zeiten des Lebens. Von der Lust sich zu wandeln."  Sie beginnt mit folgenden Gedanken:

"Wir alle sind fahrendes Volk. Und unsere Reise ist das Leben. Wir durchreisen ein Land nach dem anderen, jedes hält seine unvergleichlich eigenen Sichtweisen und Abenteuer bereit und jedesmal nehmen wir die Wesen, die Zeit und den Raum auf andere Weise wahr. (...) Unterwegs kreuzen wir die Wege anderer Karawanen, die von anderen Altern her kommen - und diese Rasten oder Wegstrecken sind immer wieder bewegende Momente. Wir verweilen beim Bericht dieser Reisenden, die uns die Orte vergegenwärtigen, die auch wir einst kannten - oder die uns von Gegenden künden, von denen wir noch nichts kennen außer der Furcht oder Faszination, die diese Worte in uns wecken. Bestimmte Episoden der Fahrt erzeugen eine vorübergehende Illusion von Sesshaftigkeit. (...) Eine Entdeckung wartet auf die, die mit offenen Herzen und offenen Augen - ohne Hast und ohne Bedauern - ihre Wege ziehen."

Ich blättere weiter in meinem Tagebuch. Ich bin nicht wie jetzt in den Anden, sondern am Meer in der Nähe von El Quisco, wo Pablo Neruda sein Lieblingshaus mit Schlafzimmer und Blick auf den Pazifik und Schreibhütte noch näher an den Wellen erbauen ließ. Ich lese und staune über meine Ekstase damals:

"Chile, das ist wie Drogen nehmen. Die Farben, die Formen. Ich schneidere mir ein Gewand aus blauem Wasser und bekleide mich damit glitzernd, unablässig glitzernd. Kaum aushaltbar schön hülle ich mich in den Himmel mit seinem Strahlen am Tag und dem Strahlen der Sterne des Nachts. Ich leuchte in den Farben der Früchte, dem Orange der Nektarinen, dem Kirschrot und Avocadogrün, dem Beige des Pan amasado und dem Korngelb der humitas. Ich nähere und nähre mich von diesen Farben, diesen Formen und koste vom Spiel des Lichts und der Schatten unablässig unablässig. Trunken bin ich und klar. Nothing lasts forever und I look to life from both sides now, singt Judy Collins im alten Kassettenrekorder von Judy. Diese helle Stimme aus den 1970er Jahren trägt und hält Nord- und Lateinamerika zusammen. Ich kann es kaum aushalten, wie geschärft die Sinne sind und jede einzelstehende Pflanze zu einem Ereignis wird, zu einer wunderschönen Skulptur in Bewegung. El sabor de la vida." 

Nachbereitung

 

"Es wird eine Reise ins Innere und Äußere. Eine Reise ans Meer. Eine Reise an den Pazifik, dort, wo der Äquator die Mitte der Welt anzeigt. Hier trifft sich alles. Dorthin reise ich. Auf diese Linie einer imaginären Mitte treffe ich. Dort, wo Tag und Nacht gleich sind. In die Mitte der Zeit und in die Nähe des Ursprungs der Zeit. " Das schrieb ich gut zwei Wochen, bevor mich der Weg nach Chile führte. Ich habe Zeit-Räume erlebt. Raum-Erleben als Zeit-Erleben. Ausreichend Zeit zu haben, ausreichend Raum. Für alles, was leben will.

Nun bin ich also wieder zurückgekehrt. Die Seele ist noch auf der Reise. Der Dienstlaptop ist eingeschaltet und die ersten 100 Mails sind gelesen. Dann braucht es eine Pause, um sich wieder einzufinden in das, was ab jetzt wieder Alltag sein wird. Die "Rückkehr" beginnt. Zu einer Reise gehört Vorbereitung, die Vorfreude, das Denken an alles, was einzupacken, noch zu erledigen ist. Zu einer Reise gehört ebenso die Nachbereitung. Natürlich gehört das Auspacken dazu, das Waschen, das wieder einräumen, sortieren, 'nachholen', was an Post und anderer Kommunikation zu Hause geschehen ist. Dazu gehören die Räume und Zeiten, um all die Bilder und Erfahrungen nachklingen zu lassen, Zeit und Raum zu geben, dass es sich im Körper, in der Seele und im Geist manifestiert und nun Teil meines Lebens sein darf. Die Vorbereitung war teilweise atemlos, den Atem habe ich auf der Reise mir geholt und ich hoffe, dass er im ruhigen Wechsel von Aus- und Einatmen erst einmal bei mir bleiben wird. Das hat dazu beigetragen, dass ich ganz ruhig, stimmig und energievoll war. Bei der Nachbereitung bleibt  die Vorfreude darauf, wie dies meine Gegenwart und Zukunft verändern und prägen wird. Reisen sind keine Einkapselungen außerhalb der 'regulären' Zeit, sie sind Teil des Lebensbaumes (oder -stromes). Während ich das schreibe merke ich: Das Leben wird in unserer Sprachwelt (immer noch, zum Glück) mit Bildern aus der Natur verglichen, haben mit Wachstum und Vergehen zu tun, keine technischen Bilder, die mit Aufrüstung, Abnutzung, Performance oder Abschaltung zu tun haben. Wir sind selbst in der Sprache Teil der großen Schöpfung Gottes. Ich hoffe: So wie ich die Vorbereitung, die Reise selbst nur bedingt planen konnte und sie geschah, so wird auch die Nachbereitung mich überraschen.

Ich ende  - vorerst - mit der Antwort von Judy auf meine Nachricht, dass ich gut wieder in Deutschland gelandet sei: 

"Dear Julia, another milestone in your already blessed life! Iam sure the experience both here in Chile and in the Galapagos will shape your future in amazing ways. I shall be a lucky observer. Much love!" Möge es so sein.

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